Großer Bedarf auf wenig Spielraum

Wie viel Platz benötigt eigentlich gutes Fußballtraining? Die Frage umtreibt mich seit einigen Jahren und die Antwort darauf ist ebenso leicht wie vielschichtig – und damit auch komplex.

Mein Platz, Dein Platz

Die Antwort auf diese Frage könnte vielen am Fußball beteiligten Personen dabei sehr weiterhelfen, denn nicht nur die Coaches hätten so Planungssicherheit für ihr Training, sondern auf die Vorstände für die Planung von Kapazitäten auf den zumeist behördlich verwalteten Sportanlagen. Ressourcen sind knapp, Bedürfnisse groß. Das trifft übrigens auch auf die Egos einiger Betroffener zu. “Wir sind die Erste, wir brauchen immer den ganzen Platz.” – “Die Frauen können doch da hinten auf dem Viertel trainieren.” – “Meine F-Jugend hat am Wochenende ein wichtiges Spiel, wir müssen Spielzüge auf der gesamten Hälfte einstudieren.” – “Leistungsteams bekommen bei uns einen halben Platz, die anderen ein Viertel.”, um nur ein paar Beispiele zu nennen, die zeigen, dass Sportplatzressourcen auch Hierarchien und das eigene Rollenverständnis zum Gegenstand haben.

Wichtig wird sein, dass alle Beteiligten Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen nehmen und den eigenen Bedarf reflektiert anmelden. “Ich war schon immer auf dem Platz” ist selten ein Lösungsansatz mit Zukunft. Die verantwortlichen Personen des Vorstands sind daher in geschickter Moderation gefordert und müssen abschließend verbindliche Entscheidungen treffen.

Perspektiven der...

  • wollen Fußball spielen unabhängig von der Gemengelage im Verein
  • Motto: wenig Platz ist besser als kein Platz
  • spielen zur Not vor der Kabine oder gar in der Kabine
  • haben Ideen, wollen Dinge ausprobieren (“Freiraum”)
  • müssen auch große Gruppen effektiv anleiten und überblicken
  • wollen mehrere Inhalte parallel aufbauen, um Zeit zu sparen
  • wollen viele aktive Mitglieder im Verein ermöglichen
  • suchen schonenden Ausgleich zwischen allen Teams
  • müssen Absprachen zwischen Teams und teilweise mit anderen Vereinen treffen

Ansätze für...

  • Platznot als Chance: Lösungen auf engem Raum als Anspruch an das Fußballspiel des eigenen Teams etablieren
  • Prinzip Basisspielform nutzen: Üben und Spielen findet in ähnlichen Feldern statt, um im vertrauten Raum zu trainieren > kein Parallelaufbau der nächsten Aufgabe nötig
  • Proaktiv Absprachen mit anderen Coaches treffen:
    • Wie viel Platz benötigst Du heute? Was willst Du wo trainieren?
    • Können wir uns den Platz effektiv (zeitlich und räumlich) aufteilen? Können Flächen nacheinander wiederverwendet werden?
    • Ich gebe Dir morgen etwas von meinem Platz ab, Du revanchierst Dich kommende Woche…
  • Selbstreflexion:
    • Komme ich mit weniger Platz klar?
    • Geht es mir eher ums Prinzip?
  • regelmäßige Treffen der Coaches (“Trainersitzung”) einberufen, um Absprachen zu treffen
  • Flexible Modelle schaffen: variabler Platzbelegungsplan nach Absprache innerhalb Rückmeldefrist, ggf. durch digitale Lösungen
  • Rotationslösungen implementieren, um gleichberechtigte Nutzung der Flächen (Stichwort: guter Platz, schlechter Platz) zu ermöglichen
  • verbindliche Prinzipien aufstellen, z.B:
    • Wie lang sollten Teams trainieren? Benötigen Kinderteams wirklich 90 Minuten Trainingszeit (Nein!)?
    • Kann die Erwärmung eines Teams parallel zum Abschlussteil anderer Teams stattfinden?
    • Alle haben Anspruch auf dieselbe Platzgröße
    • Kinderfußballteams trainieren maximal auf Größe X, Jugendteams auf Größe Y etc.
    • Alle Teams sind grundsätzlich gleichberechtigt die Vereinsinfrastruktur zu nutzen (Entfall einer Hierachie)
  • interne Qualifizierung fördern und fordern -> effektive Platznutzung “lernen”

Wie viel Platz benötigen Teams denn nun?

Die Antwort hängt ganz davon ab, wie viele Personen trainieren und welche Trainingsinhalte geplant sind. “Gutes” Training kann mit 12 Kindern schon auf 20 x 20m stattfinden, sodass 8 Teams eine reguläre Sportfläche (z.B. Kunstrasenplatz) nutzen können. Auch Erwachsenenteams können kleine Spielformen nutzen, um Entscheidungsfähigkeit und Handlungsschnelligkeit zu erhöhen. Entscheidend ist, dass spielnah trainiert wird und das bedeutet nicht, dass man den gesamten Platz benötigt. Wenn ich anfange Prinzipien zu trainieren, die auf dem gesamten Platz anwendbar sind, komme ich mit wenigen Quadratmetern aus. Denn auch die Spieler:innen müssen sich unter Zeit-, Raum- und Gegner:innen-Druck beweisen, indem sie blitzschnell Situationen wahrnehmen, entscheiden und umsetzen.

Selbst wenn es dann mit Kabinen und Toren eng werden sollte, finden sich Mittel und Wege, z.B. durch Durchgangskabinen, variable Torformen (Dribbellinien, Stangen, Hütchen, Rucksäcke) etc.

Die vielgeforderte Rückkehr zur Bolzplatzmentalität und Ausbildung wie im Straßenfußball kann hier das neue Mantra werden. In einer Stadt, die voller Menschen ist und zugleich als Heimat des Bolzplatzes gilt, besteht die Chance des organisierten Sports genau darin: Flexibel agieren, miteinander reden und Lösungen aushandeln.

 

Wer kann dabei helfen?

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Demotraining und Tipps vor Ort

Kurzschulung

Entwicklung der Coaches im Verein

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  1. Mit wenig Platz trainieren bedeutet, nicht nur beim Trainer gedankliche Umstellung/ Weiterentwicklung sondern auch bei den Spielern. Gewohnheiten aufgeben, da tut sich der Mensch schwer.